Was gibt es Neues? Infos über Veranstaltungen im Raschi-Haus und Aktuelles rund um das Jüdische Museum sowie das Jüdische Worms finden Sie hier:
Das Raschi-Haus mit seiner Verbindung von Jüdischem Museum, Stadtarchiv und Unterer Denkmalschutzbehörde ist der Ort laufender Forschungen zu ganz unterschiedlichen Fragen und Themenfeldern der reichen jüdischen Geschichte in der UNESCO-Welterbestätte Worms.
Zwei Vorträge im Raschi-Haus (Hintere Judengasse 6) geben in den kommenden Wochen Einblicke in neue Erkenntnisse zu Fragen der Bauforschung im Judenviertel und der NS-Vergangenheit einer bekannten Wormser Institution. Beide Veranstaltungen richten sich an eine breitere interessierte Öffentlichkeit, die Vorträge erscheinen Ende 2024 in dem vom Altertumsverein Worms und dem Stadtarchiv gemeinsam herausgegebenen Band 39 der Zeitschrift ‘Der Wormsgau’ im Druck.
Der Eintritt zu den Vorträgen ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich, Fragen und Diskussionen sind erwünscht !
Do 24.10.2024, 18 Uhr
Dr. Heribert Feldhaus/Dr. Gerold Bönnen: Eine ‚zweite‘ Wormser Mikwe: Fakten, Fragen und Überlegungen zu einem Fund 1930/31
Der Vortrag beleuchtet aus dem Blick von Schriftquellen und Erkenntnissen der Bauforschung ein vergessenes Denkmal im Bereich der Hinteren Judengasse – ein bislang fast völlig unbekanntes zweites Ritualbad neben der mittelalterlichen Anlage gilt es wiederzuentdecken.
Do 07.11.2024, 18 Uhr
Hartmut Ritzheimer, „Keinen einzigen Pfennig davon erhielten wir jemals“. Die Arisierung der Privatklinik Dr. Greif, später Ev. Krankenhaus Hochstift Worms
Hartmut
Ritzheimer hat die unbekannte Vorgeschichte des inzwischen ehemaligen Ev.
Krankenhauses Hochstift als vor 1933 bestehende jüdische Privatklinik ebenso
untersucht wie das bislang nicht aufgearbeitete, bewegende Schicksal der in ihr
tätigen Ärzte und ihrer Familien nach ihrer erzwungenen Emigration erforscht.
Dr. Gerold Bönnen
Stadtarchiv Worms/Jüdisches Museum
Gerold.boennen@worms.de
26.09.2024
Für die Stadt Worms war es eine große Ehre, am 8. August Frau Talya Lador-Fresher, die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, in Worms empfangen zu dürfen. Die Diplomatin verschaffte sich bei ihrem Besuch in der Nibelungenstadt einen Eindruck von den Baumaßnahmen an der Synagoge und der Mikwe und besuchte außerdem das Jüdische Museum im Raschi-Haus sowie den Friedhof „Heiliger Sand“. Dabei zeigte sie sich beeindruckt davon, wie die Stadt Worms ihr Jüdisches Erbe, das seit 2021 zum UNESCO-Welterbe SchUM-Stätten zählt, schützt und bewahrt. Stadtentwicklungsdezernent Timo Horst begleitete Lador-Fresher in Vertretung von Oberbürgermeister Adolf Kessel.
Der Welterbe-Status – gemeinsam mit den Jüdischen Stätten in Mainz und Speyer – sei für Worms eine große Ehre, betonte Horst. „Der Heilige Sand ist der älteste jüdische Friedhof in Europa. Über 900 Jahre diente er der Jüdischen Gemeinde als Bestattungsort“, so der Dezernent. „Wir sind sehr froh darüber, dass dieser so wichtige Ort von den Verwüstungen der NS-Zeit und des 2. Weltkrieges weitgehend unversehrt geblieben ist.“ Horst betonte ferner, dass die Stadt immer dann eine Blütezeit erlebt habe, wenn die religiösen Gemeinschaften friedlich miteinander gelebt hätten.
Der Besuch habe, so Horst weiter, auch Gelegenheit geboten, sich mit der Generalkonsulin über die weltpolitische Lage auszutauschen. Dabei habe er seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass möglichst bald ein dauerhafter Friede in Nahost einzieht.
Quelle: Stadt Worms
Sie befindet sich derzeit im Dornröschenschlaf, doch es gibt gute Nachrichten: Die Rede ist von der Wormser Mikwe. Seit geraumer Zeit ist sie aus baulichen Gründen gesperrt und auch der angrenzende Synagogengarten blieb in den letzten Monaten vorsorglich geschlossen. Statt Pflanzen „schmückte“ zuletzt ein großes, weißes Zelt den Garten. Was wenig schön aussieht, war jedoch dringend für den Erhalt der Mikwe nötig.
Erbaut im 12. Jahrhundert als Grundwasser-Mikwe, wurde die Stätte noch bis ins frühe 19. Jahrhundert rituell genutzt. Später wurde sie zweckentfremdet und als Senkgrube für Abwasser verwendet. Diese Umwidmung und einige damit verbundene Umbauten sind für die Probleme verantwortlich, die 2016 zur Schließung der Mikwe für den Publikums-verkehr führten. Der Mikwe wurde nämlich ihre natürliche Belüftung genommen, was zur Entstehung eines feuchten Klimas führte. Dies hatte Schäden am Mauerwerk zur Folge, was wiederum den Eintritt von Wasser in die Mikwe begünstigte. Es bildeten sich Salze und Grünbefall (Algen, Moos).
Für den Erhalt und die Instandsetzung der Mikwe setzen sich Hannah Lunemann vom städtische Wormser Immobilienmanagement und Aquilante De Filippo von der städti-schen Denkmalschutzbehörde seit geraumer Zeit ein. Geplant war zunächst die Abdich-tung der Mikwe von außen, um den Eintritt von Wasser zu unterbinden. Doch der Boden im Synagogengarten hielt eine Überraschung für die Experten parat: Mauerreste, die bei den vorbereitenden Arbeiten gefunden wurden, riefen zunächst Archäologen auf den Plan. Und statt der geplanten Abdichtung der Mikwe musste eine Alternativlösung her.
"Als eine äußere Abdichtung aufgrund der archäologischen Funde nicht mehr möglich war, haben wir die Situation der Mikwe neu evaluieren müssen. Uns war ziemlich schnell klar, dass wir die Unterstützung eines Bauphysikers brauchen“, erläutert Lunemann. „Seitdem wir Teil des Welterbes sind, ist auch das Interesse an unseren jüdischen Stätten nochmals stark gestiegen. In Folge dessen konnten wir uns ein großes Netzwerk an Ex-perten aufbauen, was uns hier zugutekam“, so De Filippo weiter. In Zusammenarbeit mit dem Münchner Labor Dr. Ettl und Dr. Schuh entstand eine sogenannte Weitwurfdüse, die die Problematik der Wormser Mikwe lösen soll.
„Die Weitwurfdöse darf man sich als einen großen kalten Föhn vorstellen. Mit dem Sys-tem wird Luft von außerhalb der Mikwe angesaugt und mit viel Druck bis auf den Grund des Tauchbeckens geleitet. Über die historischen Luftschächte gelangt die Luft wieder aus der Mikwe hinaus. In und an der Mikwe verbaute Sensoren messen dabei Tempera-tur sowie Feuchtigkeit. Anhand dieser wird die Weitwurfdüse gesteuert“ erläutert Lune-mann. „Bei unserer Weitwurfdüse handelt es sich um ein Unikat, das extra für unsere Wormser Mikwe angefertigt wurde. Ob und wie gut ‚unser Föhn‘ hilft, werden wir nun zwölf Monate lang testen. Anschließend gilt es die gesammelten Daten und die hoffent-lich veränderte Situation in der Mikwe zu beurteilen“, informiert De Filippo. Die Steuerung der Düse und Überwachung der Messwerte übernehmen zunächst noch die Münchner Partner – man befinde sich aber im engen Austausch und habe auch selbst Zugriff auf alle Daten, berichten die Wormser Verantwortlichen. „Wenn sich der Einsatz der Weit-wurfdüse als erfolgreich erweist, erhoffen wir uns einen dauerhaften Einsatz“, unter-streicht Baudezernent Timo Horst. Auch Oberbürgermeister Adolf Kessel ist von den technischen Möglichkeiten der Düse beeindruckt und betont: „Unser oberstes Ziel ist der Erhalt und die Instandsetzung unserer Mikwe. Natürlich ist es aber auch wünschenswert, dass sie wieder für Besucher zugänglich wird“.
Bis dahin steht aber noch einiges an. Mit dem Ende der archäologischen Grabungen verschwindet auch das wenig dekorative Zelt aus dem Synagogengarten. Danach wird die Grabungsfläche temporär verschlossen bzw. aufgefüllt, damit zumindest der Garten wieder zugänglich ist. Sobald die Testphase von zwölf Monaten beendet und das weitere Vorgehen geklärt ist, wird sich auch einiges hinter der Synagoge ändern. „Da wir noch nicht absehen können, ob die Weitwurfdüse unsere dauerhafte Lösung ist, behalten wir uns vor, den Synagogengarten erst nach der Testphase zu bepflanzen“, so Lunemann. Falls in einem Jahr noch Leitungen oder Rohre ergänzt werden müssen, lohnt sich ein jetziger Pflanzenaufbau nicht wirklich. „Aber der Synagogengarten wird wieder schön. Zumal wir so lange auch Zeit haben zu überlegen, wie wir die archäologischen Funde in den Synagogengarten präsentieren können“, verspricht De Filippo.
Dem Jüdischen Museum wurden jetzt zwei kostbare, beidseitig beschriebene Pergamentblätter übergeben, hebräische Fragmente des Kommentars des großen jüdischen Gelehrten Raschi (ca. 1040-1105) zu den Propheten, datiert in die Zeit um 1300.
Die Schenkgeberin, Frau Pfarrerin Dr. Inken Rühle (Tübingen), hat die beiden Blätter aus dem Nachlass ihres 2016 verstorbenen Mannes, des ebenfalls in Tübingen wirkenden Judaisten und ev. Theologen sowie Träger des Leo-Baeck-Preises und Akademischer Direktor am Institutum Judaicum (Universität Tübingen) Dr. Reinhold Mayer, dem Raschi-Haus geschenkt.
Mayer hatte die Stücke in einem Schweizer Antiquariat angekauft. Ein 1968 erstelltes Gutachten des später in Jerusalem wirkenden ev. Theologen Michael Krupp hat die beiden Stücke, die von einem Bucheinband stammen, genauer analysiert.
Der Bibeltext ist in schönen Quadratbuchstaben ausführt; der bis heute für jede jüdische Beschäftigung mit der Heiligen Schrift maßgebliche Kommentar des überaus bedeutenden, mit Worms vielfältig verbundenen Gelehrten Raschi steht daneben.
Das Fragment gehört nach dem Gutachten „zu den älteren bekannten Raschi-Handschriften“. Die Blätter wurden im Stadtarchiv digitalisiert und sollen im Frühjahr im Jüdischen Museum für einige Zeit im Original zu sehen sein, eine online-Stellung wird vorbereitet. Für wissenschaftliche Forschungen stehen die Stücke zur Verfügung.
Für Archiv und Museum ist diese Gabe ein Grund für große Dankbarkeit, denn vergleichbare originale Quellen liegen bislang weder im Museum noch in den Wormser Archivbeständen vor. Zudem sind die Kommentare Raschis bis heute für die Arbeit mit der hebräischen Bibel grundlegend – ein jetzt gleichsam materiell greifbarer Aspekt der in die Gegenwart nachwirkenden Bedeutung der SchUM-Städte für die jüdische Welt.
Innenminister Michael Ebling führte den Bundespräsidenten gemeinsam mit dem Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel, der Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Maria Böhmer, sowie dem Rabbiner der jüdischen Gemeinde Mainz-Rheinhessen, Aharon Ran Vernikoysky, über den Jüdischen Friedhof Heiliger Sand, in die Synagoge Worms und in das historische Raschi-Haus.
„Rheinland-Pfalz ist stolz darauf, mit den SchUM-Stätten in Speyer, Worms und Mainz das erste und einzige jüdische UNESCO-Weltkulturerbe auf deutschem Boden zu beherbergen. Diese jüdischen Stätten stehen sinnbildlich für die hellen und dunklen Seiten der über tausendjährigen Geschichte des jüdischen Lebens nördlich der Alpen. Es ist uns Ehre und Verpflichtung zugleich, mit dem Schutz und Erhalt dieses Welterbes und damit eines herausragenden Stücks jüdischer Kultur betraut zu sein“, sagte der für das kulturelle Erbe zuständige Innenminister Michael Ebling.
Es unterstreiche den hohen Stellenwert der SchUM-Stätten, dass der Bundespräsident nicht nur der Verleihung der Welterbeurkunde beiwohne, sondern auch den Wormser Synagogenbezirk besuche. „Die UNESCO attestiert den Gemeindezentren und Friedhöfen der SchUM-Stätten einen maßgeblichen Einfluss auf jüdische Architektur, Ritualbauten und Bestattungskultur in ganz Mitteleuropa und darüber hinaus. Die Bedeutung dieses Erbes für die Bundesrepublik Deutschland wird durch die Anteilnahme des Staatsoberhauptes deutlich zum Ausdruck gebracht“, so Ebling. Sein Besuch in Worms führte den Bundespräsidenten zunächst auf den alten jüdischen Friedhof, der vom 11. bis ins 20. Jahrhundert durchgehend als Begräbnisstätte genutzt wurde.
Die fast 2500 erhaltenen Grabsteine, davon über 800 aus dem Mittelalter, sind mit ihren Inschriften eine einzigartige Quelle jüdischer Sozialgeschichte. Im Anschluss ging es in die Synagoge, die im 12. Jahrhundert erbaut wurde und mit anderen Bauwerken des Gemeindezentrums wie Fraunschul und Mikwe in charakteristischer Wechselbeziehung steht. Abschließend führte der Besuch in das historische Raschi-Haus, von wo aus 1942 die letzten Wormser Juden deportiert wurden. Das Haus dient heute als Begegnungs- und Gedenkstätte.
„Die UNESCO hat den jüdischen Stätten mit dem Titel ‚Weltkulturerbe‘ eine unvergleichliche Anerkennung verliehen, die auch für unsere Stadt von herausragender Bedeutung ist. Wir sind mit unserem jüdischen Erbe in Hochachtung verbunden und es erfüllt mich mit Stolz, dass wir dem Bundespräsidenten heute einen Eindruck von der Einzigartigkeit dieser Stätten vermitteln konnten. Der Friedhof ‚Heiliger Sand‘, die Synagoge und auch das Raschi-Haus zeugen von der großen Bedeutung des Judentums in unserer langen und bewegten Stadtgeschichte. Ich freue mich, dass der Bundespräsident mit seinem Besuch dieses einzigartige Erbe gewürdigt hat“, sagte Adolf Kessel, Oberbürgermeister der Stadt Worms.
Die UNESCO hatte die SchUM-Stätten am 27. Juli 2021 zum Welterbe erklärt. SchUM ist eine Abkürzung aus den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen hebräischen Städtenamen Speyer (Schpira, ש), Worms (Warmaisa, ו) und Mainz (Magenza, מ). Die eng miteinander verflochtenen jüdischen Gemeinden dieser drei Städte bildeten im Laufe des 12. Jahrhundert einen einzigartigen Verbund. Der UNESCO zufolge kann an keinem anderen Ort ein vergleichbares Spektrum jüdischer Gemeindezentren und Friedhöfe die kulturellen Leistungen europäischer Jüdinnen und Juden in der Formationsphase der lebendigen Tradition des aschkenasischen Judentums bezeugen.
Quelle: Minsterium des Innern und für Sport
Jüdisches Museum Worms
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Telefon: (0 62 41) 8 53 - 47 01 / -47 07
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